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Bundesministerium der Justiz

in einem Brief an Thomas Meyer-Falk

Sehr geehrter Herr Meyer-Falk,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 24. Februar 2003, in dem Sie im Zusammenhang mit der aktuellen, durch den Fall des gewaltsamen Tods des Schülers Jakob von Metzler ausgelösten Diskussion Ihre Sorge um den Fortbestand des Folterverbots darlegen. Frau Ministerin Zypries hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Zu Ihrem Schreiben, das Sie selbst als Petition gewertet wissen wollen, möchte ich daher gerne Stellung nehmen.

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gilt absolut. Es handelt sich hierbei um eines der elementarsten Grund- und Menschenrechte - unabdingbar für jeden modernen Rechtsstaat. Das Folterverbot steht daher auch nicht zur Disposition.

Das zeigt bereits ein Blick in unser Grundgesetz: Die Bundesrepublik Deutschland hat in den Absätzen 1 und 2 des Artikels 1 des Grundgesetzes die Unantastbarkeit der Würde des Menschen und das Bekenntnis zu den Menschenrechten als oberste Werte an die Spitze ihrer Verfassung gestellt. Folter ist einer der schwersten denkbaren Angriffe auf die Würde eines Menschen. Sie ist damit zugleich verfassungsrechtlich geächtet. Nach Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes hat zudem jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dieses Abwehrrecht richtet sich nicht nur gegen staatliche Eingriffe in die physische Integrität, sondern erfasst nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Eingriffe durch psychische Folterungen, seelische Quälereien und entsprechende Verhörmethoden. Außerdem bestimmt Artikel 104 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ausdrücklich, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen. Diese in der Verfassung gewährleisteten Grundrechte binden nach Artikel 1 Abs. 3 des Grundgesetzes die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung unmittelbar. Damit ist das Folterverbot unmittelbar geltendes Recht, das von allen Trägern hoheitlicher Gewalt, also auch von Staatsanwaltschaft und Polizei, zu respektieren ist.

Daneben gibt es auf internationaler Ebene ein ganzes Bündel von Regelungen und Maßnahmen gegen die Folter, die auch für die Bundesrepublik Deutschland gelten. So gebietet Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden." In Art. 7 Satz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen (Zivilpakt) heißt es: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden." Dieses Verbot darf nicht einmal im Kriegsfall oder im Fall eines öffentlichen Notstands, der das Leben der Nation bedroht, außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt werden (Art. 15 Abs. 2 EMRK; Art. 4 Abs. 2 Zivilpakt). Dies bedeutet zugleich, dass das Folterverbot unabhängig von dem Verhalten einer Person zu beachten ist, sei dieses Verhalten auch noch so gefährlich oder verabscheuungswürdig. Eindeutig ist auch das Antifolterübereinkommen der Vereinten Nationen von 1984, das die Mitgliedsstaaten zu wirksamen Maßnahmen gegen Folter und Folterer verpflichtet. Hier finden wir in Art. 2 Abs. 2 die Regelung, dass „außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art (...) nicht als Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden" dürfen.

Für die Vernehmung von Beschuldigten durch die Strafverfolgungsbehörden ist das Folterverbot in § 136a Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) festgeschrieben. § 136a StPO verbietet ausdrücklich Maßnahmen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Folter bezeichnet werden und schließt in dieses Verbot auch die Drohung mit solchen Maßnahmen ein.

Das Bundesministerium der Justiz steht für die hinter diesen Regelungen stehende Überzeugung, dass das Folterverbot auch nicht „in der Stunde der Not" verfügbar, d.h. im Einzelfall erlaubt, werden darf. Dies gilt nicht nur für repressive, sondern auch für präventivpolizeiliche Handlungen. Ein Verstoß gegen das umfassende Verbot der Folter kann streng bestraft werden. So ist die Erpressung einer Aussage in einem Strafverfahren mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht (§ 343 des Strafgesetzbuchs).

Zu der Frage, ob und in welchem Umfang sich die handelnden Personen in dem aktuellen Frankfurter Fall strafbar gemacht haben, kann ich nicht Stellung nehmen. Was dort erforderlich und angemessen ist, wird durch die zuständigen unabhängigen Gerichte entschieden, und zwar ohne dass das Bundesministerium der Justiz auch nur den Anschein einer Einflussnahme erwecken darf.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Hemmersbach

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last changed 03.05.2003 | webmaster